Home911CayenneTaycan
MOBILE_MENU_LABEL

911-DESIGN – MICHAEL MAUER - GENERATIONENVERTRAG

Porsche Klassik

 · 21.03.2024

911-DESIGN – MICHAEL MAUER - GENERATIONENVERTRAGIMAGE_PHOTOGRAPHER
Der Mann, der die Verbindung schafft: Porsche-Chefdesigner Michael Mauer führt das Erbe des ursprünglichen 911 heutzutage fort
IMAGE_PHOTOGRAPHER

Es herrscht ein gleichmäßiges Licht, dem nichts entgeht. Wie etwa bei einem Kosmetikspiegel im Bad wird das kleinste Detail plastisch. Soll es auch. Denn hier, mitten im Forschungs- und Entwicklungszentrum von Porsche, geht es immer um das perfekte Erscheinungsbild. Im Herzen von Style Porsche, doppelter Sicherheitsbereich, darf nichts verborgen bleiben. In dieser schicken Halle werfen sie sich in Pose, in ihrer ganzen Schönheit: der Ur-Elfer und sein jüngster Nachfahre, die Baureihe 992. Dazwischen, quasi als menschliches Verbindungsglied dieser automobilen Familienzusammenführung nach sechs Jahrzehnten, steht Designchef Michael Mauer. Sein Blick wandert immer wieder von hier nach da, von der Klassik zur Moderne und zurück, und sein Blick signalisiert in jede Richtung eine tiefe Zufriedenheit. Mit den Autos, mit der Wahl des Berufs, der ein Traumberuf ist.

Ein Zusammentreffen wie dieses ist mehr als ein Aufeinanderzufahren oder ein Nebeneinanderparken. Immerhin werden hier Designhistorie und Designgegenwart arrangiert. Das verdichtet sich zu einem geschichtsträchtigen Moment: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. So ergibt sich eine Linie, die sich über sechs Dekaden erstreckt, auch wenn kein Teil mehr identisch ist. Die lange, flache Haube, die steil ansteigende Windschutzscheibe und die sanft nach hinten abfallende Dachlinie sind als stilbildende Elemente im Generationenvertrag festgelegt.

Die Augen fahren mit

Schnell plastisch wird auch die Bedeutung des Sportwagens, den Michael Mauer stets wortbeschleunigend als „Neunelfer“ bezeichnet. Die besondere Anziehung dieses Modells macht den Gestaltern die Aufgabe zwar schön, aber nicht immer leicht: „Es ist vielleicht auch deshalb besonders schwierig, immer wieder einen Nachfolger zu gestalten, weil du dort nicht nur einfach das Thema Nachfolge hast wie in anderen Baureihen. Sondern immer so ein Stück weit das Bewusstsein, dass der Neunelfer eine etwas größere Verantwortung trägt, so wie das Familienoberhaupt.“ Der Ur-Elfer und der 992 scheinen sich dementsprechend auch mit großen Scheinwerferaugen zu mustern, beide ohnegleichen.

Den 992 im Zusammenspiel mit dem ersten Elfer zu sehen, das erzeugt besondere Gefühle. Die Augen von Michael Mauer nehmen Maß, sie folgen der Form. Einmal über Schiefergrau, einmal über Gulfblau. Er legt sie zunächst gedanklich übereinander, ehe er beginnt, versonnen die Karosserie zu streicheln. „Ich sehe eine schöne Durchgängigkeit; der Elfer hat seine Identität behalten, war und ist dem Zeitgeist entsprechend modern.“ Dem Geschmack über sechs Jahrzehnte zu entsprechen, das ist die eigentliche Kunst bei der 911-Gestaltung: „So kann er veränderten Sehgewohnheiten genügen und ist trotzdem immer noch er selbst geblieben. Natürlich ist der erste zierlicher, aber heute ist alles größer geworden, schauen Sie sich doch nur die Bildschirme an. Dieser Sprung von damals ins Jetzt zeigt aber auch, dass ein Designer der Hüter der Marke sein muss.“

Die harmonische Umgebung gibt Gelegenheit für eine überfallartige philosophische Frage: Wenn der 911 ein Mensch wäre, wie ließe sich die Persönlichkeit beschreiben? „Niemand, der sich selbst in den Vordergrund stellt“, antwortet Michael Mauer, „aber einer, von dem ich weiß, dass er alles extrem gut kann. So ein Mensch, den ich auch gern um Rat fragen würde, da der Ratschlag, der dann kommt, mich unterstützen und weiterbringen wird.“ Für einen Moment denkt der Frager, dass das auch ziemlich genau auf den Designer selbst zutreffen dürfte, aber Mauer ist schon dabei, den großen Zusammenhang herzustellen: „Ferdinand Alexander Porsche, der den ersten Elfer konzipiert hat, war ein Freigeist, er hat dem Auto sein Selbstbewusstsein mitgegeben und tatsächlich eine Persönlichkeit geschaffen.“ Eine Sportler-Persönlichkeit. „Am ehesten ein Triathlet. Der ist auch reduziert, straff und beherrscht viele Disziplinen.“

Der Schwung des Urvaters

Bevor es zur Sportstunde geht, müssen noch die Proportionen geklärt werden. Der Sportler von heute hat schließlich ein enormes Wachstum durchgemacht, er wächst dem Großvater sozusagen über den Kopf. Einspruch von Schiedsrichter Mauer: „Im Vergleich zu dem, was in dieser Leistungsklasse an extrovertiertem Auftreten stattfindet, ist der 911 immer noch zurückhaltend. Er kann extrem viel, hat sehr gute innere Werte und ordentlich Leistung, aber trägt es nicht zur Schau.“ Übergreifendes Urteil: „Selbstbewusst, ohne arrogant zu wirken.“ Der Nachdruck in der Stimme signalisiert, dass sich Porsche darin treu bleiben wird.

„Urvater“ nennt Mauer das sogenannte F-Modell und was wir heute als großes Vermächtnis ansehen, war damals eine extrem moderne Interpretation eines Sportwagens. Dieser Mut in der Gestaltung und die Weitsicht, das gehört zu jener DNA, die bei Style Porsche immer noch zu spüren ist. Nicht als Mahnung, sondern als Anregung. „Damit war schon ein Muster für die Marke Porsche angelegt“, sagt Michael Mauer, „dieses Auto wirkt in keiner Weise auftragend oder aggressiv. Und das, obwohl er schon immer einer der Schnellsten war. Das finde ich faszinierend.“

Optisch reizt ihn diese ganz besondere Dachlinie, die einen ungeheuren Schwung in sich trägt. Gelegentlich treibt sie ihn und seine Kollegen aber auch an den Rand der Verzweiflung: „Wir probieren immer wieder andere Grafiken aus, aber diese Dachlinie hier ist einfach so einprägsam und eingeprägt ...“ Die spürbare Zeitlosigkeit des Elfers. „Sie gibt einem die Orientierung, wofür die Marke Porsche seit vielen Jahren steht und was es weiterzutransportieren gilt.“ Weshalb das Aussehen des Ur-Elfers keine Fesseln anlegt, sondern zur Entwicklung von Lösungen beiträgt. Mit Blick auf das schiefergraue Heck sinniert Mauer: „Wir tragen Sorge, dass der Elfer nicht aus den Fugen gerät. Wir Designer haben auch die Hüterfunktion, im Geist von Porsche die Dinge nicht ausufern zu lassen. In einer Welt, in der alles erklärt wird, muss Design selbsterklärend sein.“

RATING_THUMBS_HEADLINE
» Der Ur-Elfer legt das Muster für die Marke Porsche an. An ihm begeistert mich vor allem das Filigrane «

Schon stehen wir direkt am aktuellen Modell. Wieder kann Michael Mauer die Hände nicht vom Auto lassen. Diesmal fährt er jedoch nicht die Kanten entlang, hier sind es die Flächen, die es ihm angetan haben. Seine eigene Schöpfung. Das für ihn wichtigste Kriterium beim Fahrzeugdesign nenntsichStromfluss. Leisedahingesagt, aber mit kräftigem Ausrufezeichen versehen: „Es sind diese Flächen, die die nötige Spannung schaffen. Für mich sind es sogar Hochspannungsflächen. Das Meisterstück ist für mich die Tür.“ Warum soll nicht auch ein Benziner unter Strom stehen? Deshalb tut er alles dafür, diese Ebenen aus Blech großzügig zu erhalten, sie nach Möglichkeit nicht zu durchbrechen. Das verlangt eine hohe handwerkliche Qualität. Bei den Modelleuren wie später bei den Karosseriebauern. Aus dem Lastenheft der Gestalter: „Ich finde dieses Reduzieren und Vereinfachen generell wichtig für den 911 und für Porsche.“

article:MOST_READ_TITLE

1

2

3

Am Heck des 992, das allein wegen der Abgasanlagen hinten so viel Volumen bekommen hat, zeigt sich die Weiterentwicklung des Designs besonders gut. Das Ziel war eine Einheit aus Scheibenglas und Motorabdeckung. Die Lamellen, die vorher horizontal waren, mussten vertikal werden, weil sie eine andere Funktion bekommen haben. Daraus hat sich für die Designer ein weiterer Ansatz ergeben: „Wir haben die dritte Bremsleuchte integriert. Ein kleines Detail vielleicht nur, aber ich finde es spannend, dass auch so etwas zum Merkmal eines Autos werden kann.“ Wie die gewollte Stärke des jüngsten Elfers.

» Der 992 hat demgegenüber reichlich an Muskeln zugelegt, seine Kraft ist ihm anzusehen «

Michael Mauer nimmt Maß: „Der 992 ist auch gegenüber seinem direkten Vorgänger größer und stärker geworden, er hat an Muskeln zugelegt. Die überquellende Kraft wird durch die hinteren Kotflügel ausgedrückt. Man sieht den Weg, den der Athlet genommen hat. Mein Lieblingsvergleich ist der: als ob Arnold Schwarzenegger ein nasses T-Shirt trägt, das eine halbe Nummer zu klein ist und die gespannten Muskeln richtig plastisch werden lässt.“

Erleuchtung an der Heckpartie

Kontrastprogramm, zurück zum F-Modell. Dieselbe simple Eleganz ohne Ecken und Kanten wie der Enkel, nur eben nicht unter einer Muskelschicht verborgen. „Der wirkt so filigran“, bemerkt Michael Mauer, „und diese Filigranität reicht in jedes Detail. Wir müssen uns doch bloß das Lenkrad angucken.“ Würde links der Zündschlüssel stecken, dann signalisierte sein Blick: Lass uns schnell eine Runde im Hof drehen. Wir wechseln an das Leuchtenband des 992, das wie ein Bogen das Heck umschließt, in der Nacht aber zum Lichtschwert wird. Und dann blicken wir hinüber auf das einfache Reflektorenband des ersten Elfers. „Na, ist das nicht ein urtypisches Porsche-Thema?“, scherzt Mauer. „Ich habe da eine ganz klare Meinung: Wir haben es erfunden und ich finde, da können wir auch den Fuß stehen lassen.“

Zufrieden mit dem Anschauungsunterricht, ist aus einem leisen Lächeln ein leichtes Summen geworden, als wir die Herzkammer des 911-Designs verlassen. Seine Aufgaben muss Michael Mauer visuell lösen und das vor ihm stehende Autopärchen zeigt den Ansatz: Das Erbe wird am besten dadurch bewahrt, dass sich der 911 immer weiterentwickelt.