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Porsche-DNAPorsche 993 – Der Letzte seines Stammes

Porsche Klassik

 · 01.09.2021

Porsche-DNA: Porsche 993 – Der Letzte seines StammesIMAGE_PHOTOGRAPHER
Der 993 verkaufte sich auf Anhieb blendend und finanzierte so die Entwicklung der wassergekühlten Triebwerke – das Ende von 968 und 928 rückte näher.
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Auch wenn man es heute nicht so recht glauben mag: Als Porsche im Herbst 1997 die Produktion der 993-Baureihe beendete und mit dem 996 den ersten Elfer mit einem wassergekühlten Boxermotor präsentierte, brach für viele Porsche-Liebhaber eine Welt zusammen: wassergekühlt! Ein dramatisch überarbeitetes Triebwerk! Wo blieb der Klang? Das Röcheln des Sechszylinders? Und es begann sich rasch die Legende vom 993 zu bilden – der letzte Mohikaner mit dem einzigen und wahren Kühlungsmedium: Luft!

Es gab Handlungsbedarf: Der Vorgänger war nicht agil genug – es musste etwas geschehen.

Dass man dies heute mit einem leichten Schmunzeln zur Kenntnis nimmt, steht auf einem anderen Blatt – aber eines ist klar: Der 993 war technisch der beste luftgekühlte Elfer aller Zeiten. Kein Wunder, dass August Achleitner – der sich seit mehr als 20 Jahren mit der Weiterentwicklung und Perfektion des Elfers beschäftigt – dem 993 attestierte: »Der 993 war schon ein großer Schritt im Vergleich zu den Generationen davor.«

Es gab mehrere Gründe, warum der 993 bis heute als großer Schritt in der Evolutionsgeschichte des Elfers gesehen wird – so bemängelte Peter Falk, einer der großen und wichtigen Porsche-Ingenieure, die Handling-Eigenschaften des Vorgängers, der die Bezeichnung 964 trug, und kostatierte schon früh, dass sich bei dem Nachfolger einiges zu ändern habe. Seiner Meinung nach fehlte der 964-Baureihe einfach die Agilität. Dass es parallel dazu auch etliche Stimmen gab, die sich mit der Form des 964 nicht so recht anfreunden konnten, stand auf einem anderen Blatt. Dass sich der 993 zum Erfolgsmodell entwickeln sollte, lag aber auch an der personellen Situation, denn Anfang der 90er-Jahre hatte es bei Porsche einmal mehr tiefgreifende personelle Veränderungen gegeben: Bereits im März 1990 war der Anfang 1988 zum Vorstandsvorsitzenden berufene Heinz Branitzki durch Arno Bohn abgelöst worden, der aber auch nur zweieinhalb Jahre an der Spitze stand und dann von Wendelin Wiedeking beerbt wurde. Porsche hatte aber nicht nur an der Spitze etliche Wechsel zu verkraften, zusätzlich war 1988 auch Ulrich Bez von BMW als neuer Technik-Vorstand abgeworben worden und natürlich entscheidend an der Entwicklung des 993 beteiligt. »Damals war die Zukunft des Elfers verschlafen worden«, erinnert sich Bez, und ich »setzte mich massiv für eine glanzvolle Zukunft des Elfers ein. Für mich war er das Rückgrat des Unternehmens«.

»Sie können länger frühstücken. Sie sind früher zum Abendessen zurück. Gibt es ein besseres Familienauto?« Werbung der Agentur Jung von Matt

Parallel dazu ließ Bez einen viertürigen Porsche mit der Typbezeichnung 989 entwickeln, der jedoch – obwohl er vom Aufsichtsrat positiv abgesegnet worden war – nie in Produktion ging. Die Gründe dafür? Ferdinand Piëch entwickelte damals für Audi den A8, und zwei konkurrierende Modelle wurden nicht zugelassen. Deshalb starben auch alle Pläne für ein Porsche-SUV – man vermag sich kaum vorzustellen, wie die Zukunft des Hauses Porsche ausgesehen hätte, wenn bereits damals der Mut zu einem viertürigen Porsche und zu einem SUV vorhanden gewesen wäre. Im September 1991 musste Ulrich Bez dann Porsche verlassen.

Das Ergebnis der neuen 911er-Entwicklung feierte im September 1993 auf der IAA in Frankfurt Weltpremiere. Und mit dieser Baureihe schaffte es Porsche nicht nur, die Ästhetik des Elfers auf hohem Niveau in die nächste Modellfamilie zu tragen, sondern auch unter dem Blechkleid für einige entscheidende Neuheiten zu sorgen: So gab es eine neue Vorderachse mit Aluminium-Lenkern, an der Hinterachse kam gleich eine völlige neue Konstruktion zum Tragen, die ihre Ursprünge in der beim 928 eingeführten passiv lenkbaren Hinterachs-Konstruktion hatte. Mit dieser teuren, gegen die Bedenken der Controller zum Einsatz gekommenen Entwicklung bot der 993 das von Ulrich Bez und dem Chefingenieur Paul Hensler geforderte deutlich verbesserte Fahrverhalten.

Der Sechszylinder-Boxermotor mit 3,6 Liter Hubraum wurde ebenfalls überarbeitet: Neben optimierten Kolben und Pleueln sorgten ein hydraulischer Ventilspielausgleich sowie ein neues elektronisches Motormanagement der Firma Bosch für 272 PS, die bei 6.100 U/min zur Verfügung standen. Besonders der hydraulische Ventilspielausgleich löste Begeisterung aus, denn durch ihn entfiel die bisher alle 20.000 Kilometer fällige Kontrolle des Ventilspiels, womit die Service-Intervalle vergrößert werden konnten. Und die neu konstruierte Auspuffanlage verbesserte die Abgasnachbehandlung und die Leistung des Triebwerks ebenfalls. Neu war auch das Sechsgang-Schaltgetriebe als Serienausstattung, während die Tiptronic ebenfalls deutlich überarbeitet wurde. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h und einer Beschleunigung in 5,6 Sekunden auf Tempo 100 entpuppte sich der 993 als bemerkenswert sportliches Gefährt, das – im Zusammenwirken mit dem neuen Fahrwerk und den gesunkenen Unterhaltskosten – auf Anhieb für steigende Verkaufszahlen sorgte.

Und das war auch wichtig, denn Porsche steckte damals tief in Schwierigkeiten: Zuffenhausen hatte von dem Carrera 2 und dem Carrera 4 der Baureihe 964 nur 8.341 Fahrzeuge absetzen können, dazu verkaufte sich der 968 mit nur 1.188 Exemplaren schlechter als erwartet – von den 119 Fahrzeugen des 928 S4 ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass 1993 das Jahr war, in dem die Firma Porsche einen Verlust von 253 Millionen D-Mark verzeichnen musste. Da kam der 993 mit 2.374 verkauften Coupés und bereits 22 gebauten Vorserien-Cabriolets gerade recht.

Im 993 kam aber nicht nur der Ehrgeiz von Ulrich Bez und seinen Technikern, ein deutlich besseres Fahrzeug zu bauen, zum Ausdruck – hier begann sich auch die Handschrift des neuen Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking zu zeigen: Er hatte mit der Hilfe von zwei ehemaligen leitenden Toyota-Mitarbeitern, die eine Beratungsgesellschaft namens Shin Gijutsu gegründet hatten, den Produktionsprozess in Zuffenhausen dramatisch umgestellt. Hatte sich Porsche bis dahin einen Lagerbestand für die Produktion für den Bedarf von 28 Produktionstagen geleistet, so wurde dieser Lagerbestand nun auf 30 Minuten reduziert. Wer nicht bereit war, seine Baugruppen vormontiert zur richtigen Zeit an das Produktionsband zu liefern, verlor seine Aufträge als Lieferant von Porsche. Mit diesen rigorosen Veränderungen sorgte Wendelin Wiedeking dafür, dass Porsche innerhalb von kurzer Zeit wieder zu einem profitablen Unternehmen wurde. Mit zu den Erfolgen der nächsten Jahre trug auch die Tatsache bei, dass Wiedeking 1995 die Produktion der beiden Baureihen Porsche 968 und 928 beendete. Damit war das Thema der Porsche-Baureihen mit vorn liegendem Motor erst einmal für längere Zeit beendet, denn das Ersatzmodell – der Porsche Boxster – trat im August 1996 mit Mittelmotor an.

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Mit dem Typ 993 fuhr Porsche wieder auf die Erfolgsspur: 1994 konnte das Unternehmen bereits 7.074 Cabriolets, 7.865 Coupés und nicht weniger als 100 Exemplare des neuen, nun 305 PS starken Cup-Carrera für die diversen Rennserien in Europa und Amerika bauen und verkaufen. Womit wir einmal mehr den Carrera-Cup-Serien begegnen, die weltweit in immer mehr Ländern ausgefahren wurden und die Ulrich Bez als Kernstück des Markenbilds des Hauses Porsche sah: »Eine meiner ersten Aufgaben bestand darin, den Porsche 944 Turbo Cup zu beenden. Der 944 war ein gutes Auto, aber letztlich nicht der Porsche, den ich auf den Rennstrecken sehen wollte. Deswegen wurden und werden bis heute seit 1990 alle Porsche-Cup-Rennen mit Elfern gefahren.«

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Bei Porsche erkannte man auch, dass die Kundschaft mehr denn je daran interessiert war, mit konkurrenzfähigen Modellen am Rennsport teilzunehmen – und das nicht nur in den immer beliebteren Cup- und Supercup-Rennen, sondern auch im offenen Kampf mit den Produkten anderer Hersteller. Um ein breiteres Angebot an Klassen zu bieten, wurde zusätzlich die Klasse GT2 geschaffen, bei der die Hersteller mindestens 25 identische Fahrzeuge bauen mussten, um teilnehmen zu können. Von dem GT2, der in seiner Rennversion 1.112 Kilogramm und in der Straßenversion 1.295 Kilogramm auf die Waage brachte, verkaufte Porsche in den Jahren 1995 bis 1997 nicht weniger als 172 Exemplare, in diese Zahl sind jedoch die Clubsport-Versionen mit eingerechnet.

Wie stets im Hause Porsche wurde auch diese Baureihe in den verschiedensten Varianten gebaut: als Coupé, als Targa und als Cabriolet – wahlweise als »2« mit Heckantrieb und als »4« mit Allradantrieb. Der von 1995 an lieferbare Turbo mit 300 kW (408 PS) war dann nur mit Allradantrieb lieferbar. Natürlich wurde auch Jahr für Jahr für etwas mehr Leistung gesorgt – lieferte der 3,6-Liter-Motor anfänglich 200 kW oder 272 PS, so wuchs die Leistung ab dem Modelljahr 1996 für die Carrera-S2- und Carrera-S4-Modelle auf 210 kW oder 285 PS an. Und der Carrera RS erhielt als Homologationsmodell für den Motorsport dann einen 3,8-Liter-Motor – die Bohrung war von 100 auf 102 Millimeter bei gleichbleibender Bohrung von 76,4 Millimeter vergrößert worden. Das Ergebnis waren glatte 300 PS, die den RS zum schnellsten und heute teuersten 993 werden ließen – wenn man den in einer anderen Klasse fahrenden Turbo nicht berücksichtigt.


TECHNISCHE DATEN

Porsche 993 Carrera

  • Motor: Sechszylinder-Boxermotor
  • Hubraum: 3.600 cm3
  • Gemischaufbereitung: Bosch-Einspritzanlage
  • Gewicht: 1.370 Kilogramm
  • Maximale Leistung: 210 kW/285 PS
  • Höchstgeschwindigkeit: 275 km/h
  • 0-100 km/h: 5,3 s